``Luxus brauch keinen Reichtum, aber Luxus bereichert!``
Mit dieser Erkenntnis erwachen wir am Morgen nach unserem Kinnarodden-Abenteuer auf unserer Kaltschaummatratze unter welcher ein 7-Zonen-Kompfort-Lattenrost zum perfekten Schlaferlebnis sein übriges tut. Es ist das krasse Kontrastprogramm zu unserer vorherigen Nacht, welche wir bei 6 Grad Celsius, Sturm und Regen auf einer Yogamatte in einem Zelt am nördlichsten ``Strand`` des europäischen Festlands verbracht haben. Auch wenn für den Ein oder Anderen das Leben in einem ``Auto``, in unserem Fall auf weniger als 7 Quadratmetern sehr minimalistisch oder gar befremdlich wirkt, so ist es unserer Meinung nach wie so oft mit dem Luxus doch eher eine Frage der Perspektive.
Uns hat die Wanderung von Kinnarodden mit all ihrer Naturgewalt nochmals neu geerdet und ermöglicht uns das ``mobile Zuhause`` mit all seinen Vorzügen, selbst nach mehrmonatiger Reisedauer aus einer neuen, bislang noch nicht bekannten Perspektive einzuordnen. Begibt man sich in diese Grenzsituationen und lässt die Impressionen der Natur auf Körper und Geist zu so lässt es einen selbst für ``normal`` Geglaubtes plötzlich komplett neu wertschätzen. Luxus wird heruntergebrochen und durch bis dahin als ``selbstverständlich`` deklarierte und oft nichtmal mehr wahrgenommene Attribute neu kalibriert. An diesem ersten Morgen nach der Wanderung freuen wir uns also nicht nur darüber, dass wir im windgeschützten, warmen und vor allem unfassbar bequemen Bett aufwachen, vielmehr genießen wir den LUXUS von fließend (warm & kalt) Wasser, unserem Gaskochfeld, die komfortablen Sitzmöglichkeiten, eine auf unsere Wünsche maßgeschneiderte Innenausstattung und nicht zuletzt den großen Kühlschrank der obendrein noch mehr als gut gefüllt ist.
Nach der erholsamen Nacht gibts zum Frühstück zur Feier des Tages Banana Pancakes, dazu wie üblich einen Smoothie und einen umwerfend guten Cappuccino. Während des lockeren Starts und dem geglückten Einstieg in das Abenteuer Norwegen planen wir grob die kommenden Wochen und unsere weitere Reiseroute. Dann gehts auf die Straßen und der Küste entlang, von nun an immer Richtung Süden. Lakselv heißt unser Mittagsstop bei dem wir von einem netten Local (ansässige Person) einen weiteren Tipp zur Besichtigung der Steinformationen bei Trollholmsund bekommen. Wir finden jedoch einen wunderschönen Spot an einem Lachsfluss in Lakselv sodass wir die Besichtigung der Steinformationen für den Folgetag aufschieben. Stattdessen gibt es einen lockeren Nachmittag/Abend mit der Angel am Fluss und einem atemberaubenden Panorama, denn die im Hintergrund liegende Bergkette, mit großem Wasserfall wird durch den Sonnenuntergang und den sich rosa verfärbten Himmel in ein unbeschreibliches Licht getaucht. Nur die Lachse wollen wiedermal nicht so wie ich es gerne hätte!
Am Vormittag erreichen wir die Steinformationen welche nach einer Saga versteinerte Trolle darstellt. Wir sind etwas überrascht, stellen jedoch im weiteren Reiseverlauf fest, dass der Troll sozusagen das ``Wahrzeichen`` von Norwegen ist und sich viele Geschichten um diese Geschöpfe drehen. Die Küste ändert im hohen Norden ihr Erscheinungsbild recht schnell und aus der ``unattraktiven Mondlandschaft`` wird nun eine wundervolle Küstenregion, die überwiegend aus schroffem Fels und Gestein besteht. Immer mehr wird das Panorama von Wäldern geprägt und nicht selten wachsen die Bäume dann auch bis unmittelbar ans Meer und damit die Küstenstraßen die wir befahren heran. Mehr und mehr finden wir uns in Szenerien bei welchen man sich das ein oder andere Mal kneifen muss um sicherzustellen, dass man in der Realität ist.
Ein Leitfaden für diese außergewöhnlich schönen Küstenabschnitte und Panoramastraßen wird für uns dabei die staatliche Website ``visit.norway``. Hier informiert der Staat den Besucher über Sehenswertes und gibt zusätzlich Hintergrundinformationen zu extrem vielseitigen Themen, die den Norwegen-Reisenden interessieren könnten. Insgesamt versucht der Staat den Tourismus auf eine extrem professionelle Art zu managen um jedem Besucher den ``Wow-Effekt`` zu geben. Bei unserem Reisestil mit ``Wohnmobil`` orientieren wir uns dabei an den 18-Landschaftsrouten, welche über komplett Norwegen verteilt liegen und jeweils Abschnitte von Straßen sind welche als unbedingt sehenswert gelten. Dabei geht es nicht nur um die atemberaubende Natur, vielmehr hat der Staat kräftig Geld in die Hand genommen, um in Zusammenarbeit mit Architekten einige spektakuläre Highlights im Einklang mit der Natur zu erschaffen. Auf ihrer Homepage beschreiben sie die Initiative der Routen ``Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Natur, Architektur und Design aus Norwegen zu etwas zu kombinieren, das die Gesamtheit ihrer Einzelteile übertrifft.```, das wollen wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen.
Insgesamt sind die 18 Straßen in Summe 2136 Kilometer lang und wir werden tatsächlich fast die komplette Summe im Lauf unseres Norwegenaufenthalts abfahren. Die nördlichste Landschaftsroute nennt sich Havøysund und ist unser erstes Ziel. Sie ist 67 Kilometer und wird online zudem als tolle Radstrecke beschrieben. Das entgeht dem Duracellhasen natürlich nicht und so entschließen ``wir`` uns die Route per Bike zu absolvieren. Die Route ist geographisch ohnehin eine Sackgasse, so dass wir den Bus lediglich an einer Raststätte stehen lassen müssen, um dorthin dann wieder zurückzukehren. Die erste wunderschön gelegene und toll angelegte Haltebucht namens Lillefjord kommt uns genau recht. Wir genießen dort bei einer kleinen abendlichen Wanderung einen traumhaften Sonnenuntergang und bereiten uns mental schonmal auf die morgige Radtour vor.
6:30 Uhr schellt am nächsten Morgen der Wecker, ich komm mir (mal wieder) vor wie im ``falschen Film`` und Alex kann’s schon fast nichtmehr aushalten aufs Bike zu kommen. Unsere Kalkulkulation am Vortag hat ergeben, dass es so ca. 50 Kilometer bis ins Fischerdörfchen Havøysund sein müssten, diese dann wieder zurück und wir knacken theoretisch die 100 Kilometermarke, was auf asphaltierter Strecke machbar sein sollte. Auch wenn die Beine dank der Monsterwanderung, die noch keine 48 Stunden zurückliegt, noch etwas schwer sind, starten wir unsere Radtour und fahren für die nächsten Stunden durch eine atemberaubende Landschaft.
Zwischenstopp machen wir an den wundervoll gelegenen architektonischen Raststätten und nutzen die Chance direkt noch für das ein oder andere unvergessliche Bild. Schon beim Hinweg wird uns bewusst, dass die Tour allerdings auch ordentlich Höhenmeter macht und der zunehmende Rückenwind auf dem Rückweg wohl keine so sonderlich große Unterstützung mehr sein wird. Ziemlich pünktlich zur Mittagszeit erreichen wir dann das ``Ende der Straße`` und damit das Fischerdörfchen Havøysund, es macht einen ziemlich verschlafenen Eindruck und wir kurven lediglich ein wenig durch den Hafen, stärken uns mit den mitgenommenen (nat. selbstgemachten) Wraps und treten dann die Detour an.
Nach drei Kilometer dann eine ``Doppel-Erkenntnis``, der mittlerweile extrem starke Gegenwind ist wenig förderlich fürs Vorankommen und die schwarze Wolke die direkt auf uns zukommt sieht nicht nur aus wie eine Regenwolke, es ist eine. Zum Glück ist es nur ein kleiner Schauer der uns ``streift``, trotzdem wird die Rückfahrt eher zur Qual. Die Landschaft, der gute Straßenzustand und die Tatsache, dass so gut wie nichts los ist auf der Straße versüßt uns zwar die Rückfahrt, allerdings ziehen die Höhenmeter und die gewaltige Distanz die letzten Kräfte aus unseren (meinen) Beinen. Nach 109 Kilometer ist es dann geschaff. Hätte mir jemand vor zwei Tagen (nach der Wanderung) gesagt, dass ich keine 48 Stunden später 109 Kilometer inklusive 2239 Höhenmeter auf dem Rad absolvieren werde hätte ich vermutlich eher gelacht. Beim ``Ankommen`` am Bus war mir allerdings so gar nicht mehr zum Lachen zu Mute, mit laufen war auch nichtmehr viel - ich brauch erstmal eine kleine Pause! Nachdem ich zwei Bananen innerhalb von gefühlten 30 Sekunden inhaliert hab, bin ich dann aber wieder unter den ``Lebenden``.
Zur Feier des Tages gibt’s Pasta zum Abendessen und mit dem einsetzendem Regen beschließen wir noch eine Nacht vor Ort zu bleiben, um erst am morgigen Tag weiter in Richtung Süden zu fahren. Nach morgendlicher Putzaktion geht’s mit den sicher verstauten Bikes endlich wieder mit dem Van auf die norwegischen Straßen. Wir fahren in die Stadt Alta und finden ein wenig außerhalb eine Art `` alte Kiesgrube``, die für Camping und Oudoorbegeisterte zur Verfügung gestellt wird. Hier sind wir an diesem Abend unter Gleichgesinnten. Während Alex etwas Sport macht (weil wir ja schon so lange nichtsmehr gemacht haben), heb ich die Angel etwas ins Wasser. Mit einsetzender Dunkelheit hatte ich es schon fast aufgegeben, als dann plötzlich doch ein Fisch am Haken zappelt. Das Fjord scheint also doch was herzugeben. Zwar ist es nicht der erhoffte Lachs, aber plötzlich beißen unzählige Kabeljau an und ich bring an diesem Abend die zwei größten Exemplare ``nach Hause`` um sie stolz zu präsentieren. Zum frischen Fisch gibts dann noch etwas Gemüse und fertig ist ein perfektes Abendessen.
Weiter gehts durch die sensationelle Landschaft der norwegischen Küstenregion. Wir genießen die Aussicht und das komfortable und vor allem ``warme`` Sitzen hinter einer großen Panoramascheibe, denn draußen werden die Temperaturen allmählich deutlich frischer und wir drehen immer öfter die Heizung auf. Nachdem der vorherige Tag eher unter dem Topic ``Erholung`` einzuordnen war, suchen wir uns für heute eine moderate ``kleine`` Wanderung aus. Nach Ankunft und erholsamen Mittagsschläfchen gehts dann an den ``Quelltopf```, einer Quelle in mitten des Waldes aus der eine doch beträchtliche Wassermenge aus dem Boden sprudelt, um sich dann als Bach seinen Weg ins Tal zu bahnen. Wir beschließen den kleinen Trampelpfad noch etwas weiter bergauf zu folgen und finden uns nach kurzer Zeit in mitten einer Lichtung und unzähligen Blaubeersträuchern wieder. Bereits in Finnland waren wir ja schon unter die ``Berry-Picker`` gegangen und üben uns an diesem Tag nun auch in Norwegen im ``Nationalsport``!
Nach über drei Stunden sind wir zurück am Bus und haben knapp ein Kilo Blueberries im Gepäck. Dieser erfolgreiche Tag endet für uns dann ein Stück weiter abwärts der Bundesstraße E6, an einem der besondersten Orte auf unserer Reise. Wir machen Halt an einem Picknickplatz der ein atemberaubendes Panorama bietet, nicht zuletzt aufgrund seiner erhöhten Lage, denn hier ca. 200 Meter über Meeresspiegel lässt sich die zerklüftete Küstenlinie noch besser erkennen. Dieser Ausblick sollte allerdings nur der Anfang sein, denn nachdem wir aussteigen und in der Kälte (wir nähern uns allmählich dem Gefrierpunkt) einige Bilder machen bekommen wir von einem anderen Reisenden, der seinen Camper am anderen Ende der ca. 150 Meter langen Parkbucht geparkt hat, den Tipp dass hier eine erhöhte Chance auf Polarlichter in der Nacht bestünde.
Dieses Argument macht es uns dann ausgesprochen einfach die ``Picknickstelle`` kurzerhand zu unserem Nachtquartier zu ``befördern``. Während wir das Abendessen zubereiten und parallel die Dunkelheit allmählich über das Fjord hereinbricht, richten wir unsere Blicke also immer wieder nach draußen und pünktlich zum servierten Abendessen gehts dann auch tatsächlich los. Wir trauen unseren Augen nicht, es ist ein Kino der besonderen Art. Wir sitzen mit Quinoasalat und selbstgemachtem indischen Naanbrot in der ersten Reihe auf unseren Sitzen hinter unserer Panoramascheibe. Vor uns die Dunkelheit und das Natur-Kino, für das es dann endgültig keine Worte mehr gibt. Zwar bleibt es bei eher schwachen Lichtstreifen am Himmel, nichts desto trotz ist es ein für uns wundervolles Erlebnis, dem wir dann auch bis kurz nach Mitternacht treu bleiben. Irgendwann siegt dann aber doch die Müdigkeit und während am Himmel die grünlichen Lichtstreifen weiter ihren Tanz aufführen triften wir ab ins Reich der Träume.
Ein weiteres Mal, dass uns die Reise etwas bietet was wir so nicht erwartet hatten. Erst Tage zuvor hatten wir überhaupt erfahren dass die Polarlichter ``so früh im Jahr`` schon erscheinen können und ehe wir uns versehen sind wir dann plötzlich und unverhofft mittendrin. Eindrücke die uns für immer im Kopf bleiben werden und für die wir so unfassbar Dankbar sind. Mit diesem Highlight schließen wir den zweiten Norwegen Blog an dieser Stelle dann für heute auch ab. Es wird also noch einige weitere Impressionen aus diesem Traum-Reiseland geben und soviel sei wiedermal vorweggenommen, die Polarlichter werden kein einmaliges Ereignis bleiben…
Somit auch für mich die Chance mich bei der Fotographie dieses Naturschauspiels noch etwas zu verbessern, damit dann nicht mehr jeder Stern wie eine Sternschnuppe aussieht…
Aber das ist dann wieder eine andere Story.... Somit erstmal genug für heute und beste Grüße von den zwei Nordlichtern
Alex & Max.
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